Einheit der Philosophie

Nun wollen wir uns aber mit dem Problem der Philosophie beschäftigen, mit der Einstellung gegenüber der Philosophie dieser Zeit, und da ist man am öftesten konfrontiert mit dem zweiten Vorurteil. Also es gibt ein einheitliches und sinnvolles Bild von der Kultur der Renaissance, aber es fehlt die Philosophie, die in dieses Bild paßt. Schon Burckhardt sagt einmal, in dem grossen Werk über die Kultur der Renaissance in Italien, er finde es seltsam, aber unwiderleglich, daß die Philosophie gleichsam nichts von der Originalität, der Selbständigkeit aufweise, die sich in der Literatur, der Kunst, der Politik und allen anderen Lebensbereichen so aufdrängt. Und bei einem der bedeutendsten neueren Philosophen, die sich in unsrem Gebiet engagiert haben, bei Ernst Cassirer, lesen wir:

Hegels Voraussetzung, daß die Philosophie einer Epoche das Bewußtsein und das geistige Wesen ihres ganzen Zustandes in sich schliesse, daß sich in ihr als dem einfachen Brennpunkte, dem sich wissenden Begriffe, dies vielgestaltete Ganze abspiegele, scheint sich für die Philosophie der Frührenaissance nicht zu bewähren. Das neue Leben, das um die Wende des 13. und 14.Jahrhunderts in allen Gebieten des Geistes einsetzt, das in der Dichtung und in der bildenen Kunst, im staatlichen und geschichtlichen Dasein immer mächtiger emporwächst und sich zugleich immer bewußter als geistige Erneuerung weiß und fühlt, scheint im Denken der Zeit zunächst keinen Ausdruck und Widerhall zu finden.

Das ist der erste Satz des Buches über Individuum und Kosmos in der Philosophie der Renaissance, kein sehr optimistischer Einstieg, würde ich sagen. Nun ist die Skepsis hier dadurch gemildert, daß er nur über die frühe Renaissance spricht, und daß er zweitens, zumindest für den Moment, sich die Perspektive Hegels zu eigen macht. Aber in dem ersten Band des Werkes über das Erkenntnisproblem in der Philosophie und Wissenschaft der neueren Zeit können wir durchaus auch die allgemeinere Variante finden: In dieser geistigen Gesamtbewegung, sagt er über die Renaissance, scheint indes die Philosophie nur eine untergeordnete und beschränkte Wirksamkeit zu entfalten.

Cassirer selbst hat ungeheuer viel dazu beigetragen, das ins Positive zu korrigieren, aber von dieser globalen Einstellung hat er sich nie ganz freigemacht, nicht einmal dort, wo er sehr einfühlsame Einzelinterpretationen anbietet. Ich lese Ihnen noch eine dritte Stelle vor, aus dem zweiteiligen Aufsatz über Pico della Mirandola, 1942 in englischer Sprache geschrieben:

But it is questionable whether in this advance he made, an advance that historically considered was of significance and left deep traces, we can see any specifically philosophical achievement. If we measure Pico's thought by strictly philosophical standards, we often get the impression that we are here dealing less with a fixed doctrine of definite form and clear outline, than with a kind of intellectual alchemy.

Hier fällt ein wichtiges Stichwort: die strikt philosophische Bedeutung ist fraglich, weil die festumrissene Doktrin fehlt - oder jedenfalls für Cassirer nicht zu ermitteln war. Steckt in dieser Begründung wirklich so eine unbezweifelbare Wahrheit? Ist es wirklich der doktrinale Gehalt, und nur er, der eine Philosophie eindeutig bestimmt? Ich halte das für eine interessante Frage, und sie drängt sich kaum irgendwo so stark auf wie in der Konfrontation mit der Philosophie der Renaissance. Nächste Stunde möchte ich mich damit ein bißchen ausführlicher beschäftigen, ich werde dabei außer über den Begriff der Doktrin auch noch über einige andere, verwandte, wie etwa Schule, Lehre etc sprechen.

Jetzt will ich einmal zusammenfassen: Wir haben gesehen, daß selbst bedeutende Spezialisten eine gewisse Zurückhaltung gegenüber dem Begriff einer Renaissancephilosophie üben. Sei es, daß ihnen die philosophischen Leistungen als solche zu wenig wichtig erscheinen, sei es, daß sie ihnen aus anderen Gründen - Heterogenität etwa - nicht einen zusammenfassenden Begriff zu rechtfertigen scheinen. Kann man diese Vorinformation auch positiv fassen, kann man positiv sagen, welche Eigenarten der Philosophie jener Epoche diese Beurteilung nahelegen oder nahegelegt haben? Ich glaube schon, und ich will dazu ein paar kurze Hinweise geben.

Mir scheint, daß man schon sagen darf, daß die Philosophie in der Renaissance insgesamt eine charakteristische praktische Wendung nimmt, und zwar in folgendem Sinne: Daß nämlich all die verschiedenen - sagen wir: - Sachbereiche der Philosophie zunehmend mit den ihnen entsprechenden praktischen Fähigkeiten identifiziert werden, und immer weniger identifiziert werden durch blosse theoretische Wissensinhalte. Das heißt nicht, daß diese Wissensinhalte plötzlich nicht mehr erkannt worden wären, das heißt nur, daß sie nicht mehr als die Quintessenz der Beschäftigung mit der jeweiligen Sache betrachtet worden sind. Also um das ein bisserl konkreter zu machen, so habe ich den Eindruck, daß dort, wo traditionellerweise die Theorie des Politischen stand, auf einmal eine Technik der Macht betrieben wird. Oder dort, wo die philosophische Logik und Dialektik stand, da ist auf einmal wichtiger als diese Theorie die wirkliche Rhetorik. Vor die Metaphysik schiebt sich die Sehnsucht nach einer tatsächlichen mystischen Erhebung zu den höchsten Wesenheiten, die Naturphilosophie wird auf zunehmend durch praktische Experimente und die handwerklichen Möglichkeiten des Instrumentenbaues bestimmt. Das alles sind ja Ausrichtungen, um nicht zu sagen: Disziplinen der Philosophie, das sind die Fragestellungen, die die Philosophie schlechthin ausmachen. Und sie sind es auch noch nach oder während dieser Verschiebung zum Praktischen hin, diese Interessen hören dadurch nicht auf, die philosophischen Interessen zu sein. Nur einen Punkt darf man nicht vergessen, und auf den kommt es an. Traditionell waren diese Dimensionen integriert in eine einheitliche Auffassung von Philosophie, und sie waren auf eine sehr bestimmte Weise darin integriert, nämlich durch das aristotelische Verständnis von wissenschaftlich-philosophischer Theorie. Alle diese Fragen sind in einem umfassenden Zusammenhang abhandelbar gewesen. Aber nun, in dem Moment wo sie gar nicht mehr primär von der theoretischen Seite her erfaßt werden, scheinen sie uns mit einem Mal in Vereinzelung gegenüber zu stehen, nicht als die eine Philosophie, sondern als unverbundene Vielfalt von Politik, experimenteller Wissenschaft, religiöser Mystik und literarischer Rhetorik. Wir können auch angeben, warum es so scheint: weil sich nämlich auf der praktischen Seite kein Begriff anbietet, durch den wir eine analoge Vereinheitlichung denken könnten, wie sie die aristotelische Philosophie auf der theoretischen gestiftet hat. So einen Begriff sehen wir einfach nicht mit freiem Auge, und deshalb, sage ich, tun wir uns schwer mit der Antwort auf die Frage: Na, was ist es denn nun, was diese Renaissancephilosophie im Wesentlichen ausmacht und kennzeichnet? Obwohl wir ja mit Händen die philosophischen Impulse, die philosophische Dynamik greifen können, die in der Mystik Ficinos oder in den Schriften Macchiavellis zum Ausdruck kommen, so will es uns doch nicht gelingen, darin eine Philosophie zu erkennen. Wir sagen lieber so etwas im Grunde ganz Unsinniges wie: Na ja Macchiavelli, ein Philosoph war das ja eigentlich nicht, obwohl, man muß zugeben, es gibt einige recht interessante philosophische Tendenzen in seinen Theorien, die kommen dann später so richtig zum Ausdruck im Werk von Hobbes. Das rührt daher, ich wiederhole es, daß wir philosophische Gehalte zwar in fragmentarischer Form wiedererkennen können, aber daß wir sie nicht in ein Schema zusammenfassen können, wenn sie aus ihrer traditionell- theoretischen in eine praktische Verfassung übergeleitet werden. Also das wäre möglicherweise so was Ähnliches wie eine Erklärung dafür, daß man sich mit der Renaissancephilosophie so schwer tut. Aber diese Erklärung ist zwar vielleicht subjektiv richtig - sofern sie unsere historische Wahrnehmungsfähigkeit betrifft; objektiv nicht. Denn derartige Begriffe, die es erlauben die Einheit der philosophischen Dimensionen als praktischer zu denken, hat es in Wahrheit ja doch gegeben; Begriffe, die alle diese Bereiche, von der experimentellen Naturwissenschaft über die Politik bis zur mystischen Selbsterhebung umfassen.

Der Mensch

Der wichtigste derartige Begriff ist “Mensch”. Politik, Wissenschaft, Religion, Literatur und Kunst haben und bilden eine Einheit im Menschen. Sie können als Einheit und als zusammenhängend verstanden werden, wenn sie vom Menschen her verstanden werden. Entscheidend ist nur, daß das Wort “Verstehen” hier nicht wieder das ganze Gewicht einer Theorie, einer wissenschaftlichen oder philosophischen Theorie bekommt, die sich erneut zwischen den wirklichen Menschen und jene seine vielfältigen Aktivitäten schiebt. Dieser Zustand ist erst sehr viel später eingetreten, mit der Entstehung der sogenannten Humanwissenschaften, eine Sache des 19. Jahrhunderts. In der Renaissance ist es die tatsächliche konkrete Entwicklung, Bildung und Handlungsweise des Menschen, was dieses vereinheitlichende Prinzip ausmacht, und nicht eine Theorie darüber, was der Mensch ist.

Nun, wenn man so etwas sagt, so ist das in dieser Form natürlich unklar und mißverständlich zugleich. Sie dürfen zB nicht glauben, daß diese Aussage über den Menschen als Prinzip mit dem Aufkommen des Humanismus in der Renaissance deckungsgleich ist. Der Humanismus muß als ein viel spezielleres Phänomen erklärt und gewürdigt werden. Ein anderer und jetzt wichtigerer Punkt ist der folgende: Wenn ich sage, es ist der faktische, konkrete Mensch, der das Einheitsprinzip seiner Aktivitäten bildet - dann ist das doch in einem gewissen Sinn eine völlig wertlose und banale Aussage. In einem gewissen Sinn war und ist der Mensch immer dieses Prinzip, in der Steinzeit, in der Spätantike und im vergangenen August. Also wenn es da in der Renaissance etwas Neues gibt, eine neue Qualität, dann muß sie darin bestehen, daß der Mensch die Einsicht in seine kulturbildenden Aktivitäten anders sucht, gewinnt und organisiert. Und die Tendenz geht eben dahin, daß diese Einsicht nicht so sehr dann vorliegt, wenn eine entsprechende Theorie entwickelt wurde, die in Übereinstimmung steht mit unabhängigen Maßstäben - sondern von der Entwicklung des Menschen, vom Ausschöpfen seiner Fähigkeiten hängt diese Einsicht ab. Der Mensch selbst, mit seinem Entwicklungspotential, ist der Maßstab; und das Wichtigste an diesem Maßstab Mensch ist, daß er in sich eine solche Vielfalt von Anlagen vereint. Das ist natürlich alles sehr grob und plakativ hingesagt jetzt, wir werden uns in diesem Semester immer wieder von den verschiedensten Seiten her mit dieser Sache beschäftigen. Nur zwei Punkte, die stark miteinander zu tun haben, spreche ich jetzt gleich noch an. Das eine ist, daß man sich fragen wird: Na aber wenn das stimmt, was ist dann mit der Philosophie als solcher, wo bleibt die? Die Situation ist doch nun eher so, daß man auf der einen Seite verschiedene philosophische Inhalte und Einstellungen hat, die in verschiedene Richtungen weisen, aber nicht in eine Theorie integriert sind; auf der andern Seite steht als integrierende Instanz das menschliche Leben als solches. Was in diesen Worten beschrieben wird ist doch nichts anderes als die Aufhebung der Philosophie ins Leben, das Ende der Philosophie. Das stimmt aber nicht ganz; die Wahrheit ist eher, daß auch die Philosophie als solche diese Wendung von der Theorie zu einem Potential, einer Mächtigkeit des Menschen mitmacht. Diese Bestimmung der Philosophie im Leben ist sehr schwer zu finden und auch nachzuvollziehen, das ist eben die positive Seite jenes unseres Unvermögens, eine Philosophie der Renaissance zu identifizieren, Sie erinnern sich an dieses Cassirer-Zitat, not a fixed doctrine of definite form and clear outline. Und wenn Philosophie auf solche Weise bestimmt wird, dann kommt sie in einen Zusammenhang, in Konkurrenz und Interaktion mit anderen Instanzen, die ähnliche Ansprüche auf die Integration und Leitung verschiedenartiger Fähigkeiten des Menschen stellen. Das ist der zweite Punkt, den ich noch machen wollte.

Magie

Eine derartige Instanz ist die Magie. Natürlich auch - und wenn Sie wollen: in erster Linie - die Religion. Aber in der Renaissance ist es eben hoch charakteristisch, daß da die Magie eine Rolle spielt. Und jetzt ist es natürlich so, daß schon wenn man dieses Wort nur ausspricht, dann ist eigentlich schon klar, daß da die Probleme erst beginnen. Das Wort Magie ist seit dem 17.Jh. ja praktisch ausschließlich zu diskriminierenden Zwecken verwendet worden, praktisch nur um etwas als Un-Wissenschaft, als Un-Philosophie, als Nicht-Philosophie abzustempeln. Trotzdem meine ich ist es eine absolut unerläßliche Bedingung für ein wirkliches inneres Verständnis der Renaissance-Philosophie, daß man sich ihr Magie-Verständnis klarmacht, das Selbverständnis solcher Philosophen wie Ficino, aber in gewissem Sinne auch noch Bruno, als Magier. Das ist keine leichte Aufgabe, und es ist auch nicht der Punkt, an dem wir diese Vorlesung aufhängen wollen. Ich werde vielleicht gegen Ende der Vorlesung etwas ausführlicher dazu sprechen. Jetzt wollen wir nur mal festhalten, daß die größten Probleme für die Auseinandersetzung mit der Renaissance-Philosophie daher rühren, daß erstens durch eine gewisse Tendenz zum Praktischen, zu den tatsächlichen Aktivitäten, die Philosophie nicht mehr ganz problemlos als diese abgrenzbare Einheit, als Zusammenhang erfaßt werden kann; und daß eben zweitens ein Hauptbegriff, der für die Autoren der damaligen Zeit das noch am ehesten geleistet hat, daß dieser Begriff also für uns fast völlig unbrauchbar ist, weil er ganz einfach zu schmutzig ist, zu sehr verächtich gemacht worden ist durch Jahrhunderte hindurch.

Methodisches

Aus all diesen Umständen resultieren handgreifliche Eigentümlichkeiten, mit denen sich jeder konfrontiert findet, der auf dem Gebiet zu arbeiten beginnt. Zum Beispiel, daß man die interessantesten Überlegungen zur Philosophie der Renaissance in den Werken von Nicht-Philosophen findet, von Kunstgeschichtlern, Wissenschaftsgeschichtlern, Literaturwissenschaftlern und überhaupt Historikern. Das überrascht uns jetzt nicht mehr allzusehr - es entspricht der Vermutung, daß eben durch jene Tendenz auf das Praktische die philosophischen Gehalte viel mehr als vereinzelte Lehrstücke zu existieren scheinen denn als Elemente eines umfassenden Gebäudes oder einer umfassenden Sprache. Es ist zugleich eine Art methodische Eigentümlichkeit des Gebietes, daß man da auch als Philosoph nicht weiterkommt, wenn man nicht dauernd alle Grenzen überschreitet, zur Physikgeschichte, zur Kunstgeschichte, etc.

Eine besonders interessante Branche ist die Wissenschaftsgeschichte, denn in der Wissenschaftsgeschichte ist man auch wirklich schon bis zu der Erkenntnis vorgedrungen, daß die Ursprünge der modernen mathematischen Naturwissenschaft nicht verstanden werden können, wenn man sie nicht in ihrer Beziehung zu den magischen Strömungen untersucht. D.h. wenn man die Motive genauer untersucht, die hinter dem Aufkommen des neuzeitlichen Empirismus stehen; oder die Motive, die z.B. hinter der Theorie Newtons stehen: dann stößt man da auf Einflüsse, die nicht anders als magisch bezeichnet werden können, auf eine Gestalt wie Paracelsus etwa. Nun hat man das lange Zeit so gehandhabt daß man gesagt hat: So ein Heros wie Newton, der war halt neben seinen grossen wissenschaftlichen Ideen auch noch ein bisserl abergläubisch, ganz privat natürlich nur, also man kann es am Rande erwähnen, als einen Beleg mehr dafür, daß jeder Mensch seine Schwächen hat, aber Bedeutung hat es keine, darf es keine haben.

Heute hat man einsehen gelernt, daß das so nicht geht. Man muß akzeptieren, daß gewisse Schritte der Transformation, die zu dem Wissenschaftsbild des 17.Jh. geführt hat, von den Zeitgenosen gleichsam nur im Zeichen des Magischen vollzogen werden konnten, und daß man sie vollständig nur verstehen kann, wenn man sich diese positive Bedeutung des Magischen erschließt.- Aber nicht nur die Wissenschaftsgeschichte, auch die Kunstgeschichte konfrontiert uns mit spannenden Fragen. Z.B. die Ikonologie in der Tradition Panofskys hat unglaubliche Sachen ans Licht gebracht, indem sie sich mit dem philosophischen Gehalt von Bildern eines, sagen wir, Botticelli auseinandergesetzt hat. Und zwar nicht irgendwie herumspekuliert, sondern mit wirklich äußerst komplizierten philosophischen Theorien, die aus der neuzeitlichen Rezeption des Neuplatonismus entstanden sind, auseinandergesetzt. Diese Leute wie Panofsky oder Warburg oder auch Gombrich haben etwas über die künstlerische Struktur jener Bilder herausgebracht, indem sie sie aus einer philosophischen Perspektive betrachtet haben. Aber die Philosophen haben sich seltsamerweise noch nicht entschliessen können, ihrerseits einen entsprechenden Schritt zu tun und anzuerkennen, daß ein Kunstwerk, ein Bild, eine Statue, ein Gedicht eine bestimmte Form der Darstellung philosophischer Gehalte sein kann. Na gut, das sind alles Probleme und Herausforderungen für diejenigen, die sich einmal wirklich einlassen wollen in die Sache, während wir ja jetzt eine Einführungsveranstaltung haben. Wir halten nur fest, daß eine methodische Besonderheit der Auseinandersetzung mit der Renaissance-Philosophie darin besteht, daß sie ein hohes Maß an interdisziplinärer Arbeit fordert, aus sehr tiefen philosophiegeschichtlichen Gründen heraus.

Eine andere Eigentümlichkeit ist die Sache mit den sog philosophischen Strömungen. Ich werde nächstes mal ein bisserl mehr dazu sagen, aber so viel schon jetzt, daß für das faktische philosophische Leben der Periode, man könnte sagen: für das philosophische Alltagsleben, die Dynamik philosophischer Strömungen eine ungeheure Rolle gespielt hat, und daß das natürlich auch ein sehr naheliegender Ansatzpunkt ist für jede philosophiegeschichtliche Auseinandersetzung. Denn wenn in einem Text dauernd von irgendwelchen wahren oder scheinbaren Gegensätzen des Averoismus und des Thomismus, des Platonismus und des Aristotelismus die Rede ist, dann ist das eben ein sehr einfaches und simples Indiz dafür, daß es sich um einen philosophischen Text handelt - man kann es sich auf diese Weise auch wiederum sehr leicht machen mit der Renaissance-Philosophie, aber auf der andern Seite muß ich doch sagen, daß man das Phänomen auch ernst nehmen muß. In diesem Sinn werden wir uns mit der einen oder anderen dieser Strömungen befassen, insbesondere mit dem Platonismus, der so eine Art Auslöser gewesen ist für viele eigenständige philosophische Ambitionen der Renaissance. Ich bin jetzt bei der Themenübersicht, aber vielleicht vorher noch kurz zur Didaktik.