Zur konkretenSituation

Zum Abschluß der heutigen Stunde sage ich kurz etwas zu dem institutionellen Aspekt des Schulbegriffes. Das sollte natürlich beinhalten eine Vergegenwärtigung, daß die großen Philosophien der Antike Schulen waren im Sinne von Institutionen. Aber damit möchte ich nicht gleich beginnen, sondern ein Faktum ansprechen, das trotz seiner historischen Unübersehbarkeit und seiner eminenten Auswirkung viel zu wenig gewürdigt wird in diesen Zusammenhängen. Eine der größten Determinanten für die Philosophie der Renaissance liegt noch immer im Übergang vom Altertum zum Mittelalter , in der schlichten Tatsache, daß im 5., 6. Jh tatsächlich eine ganze Welt zusammengebrochen ist, eine Kultur alle ihre Stützen verloren hat. Das macht man sich ja viel zu wenig klar, was das bedeutet. Und das wesentliche aber kontingente Faktum besteht nun darin, daß es eine einzige Institution war, die nicht bloß die Bildungsinhalte, sondern auch eine stabile Form von Bildung aus dem Altertum herüber mitgenommen hat, und das war die Kirche. Die Bedeutung der Kirche für das Mittelalter hat tausenderlei Gründe und Aspekte. Aber ihre Bedeutung für das Bildungswesen, für die Kultur, besteht exakt darin. Eine Zeit lang, im 7. und 8. Jh, ist das eine eher konservatorische, schützende Funktion gewesen. Sozusagen eine gelungene Quarantäne-Politik. Aber um 800, in der karolingischen Zeit, als wieder eine Entwicklung beginnt, da spielt die sich klarerweise auch in den Klöstern ab. Von den Klosterschulen aus wurde das europäische Bildungssystem wieder neu entwickelt. Also so eine grobe Einteilung eines Lehrplanes zeigt gleich die Überlagerung:

Im 11., 12. Jh gibt es mit der Entstehung der Kathedralschulen eine Welle der Säkularisierung, der Einfluß des Aristoteles beginnt zuzunehmen, überhaupt wird das Lernen mehr und mehr als eine eigenständige menschliche Aktivität erkannt und gewürdigt. Im elften Jahrhundert werden ja übrigens auch entscheidende Texte des Aristoteles wieder bekannt (die logica vetus), und es kommt zu einer weitgehenden Standardisierung philosophischer Ausdrücke. Im 12. Jh wird die sog logica nova, dh die Analytiken, rezipiert, die Wissenschaftstheorie des Aristoteles, und in dieser Zeit entstehen die Universitäten. Faktisch gibt es die Universität in Paris seit Anfang des dreizehnten Jh, richtiggehend konstituiert hat sie sich 1299. Aber schon um 1200 waren 10 Prozent der Bevölkerung von Paris Studenten! Zweihundert Jahre später, mit jener Wendung gegen das Schulmäßige, gibt es dann eine institutionelle Aufkockerung: Akademien, andere Arten von Gesellschaften etc.