Foucault über Ähnlichkeit und Repräsentation

In Les mots et les choses, dem Buch, in dem die Interpretation der 'Meninas' steht, und das 1966 erschienen ist, sagt Foucault, daß in der Zeit seit dem 15. Jahrhundert mehrere Umbrüche des Wissens stattgefunden haben. Daß, kurz gesagt, das Wissen des späten 19. Jahrhunderts ein anderes ist als das des 17. Jahrhunderts, und daß dieses wieder ein anderes ist als das des 16. Jahrhunderts. Das Buch trägt den Untertitel: 'Une archéologie des sciences humaines', und es wird darin behauptet, daß mit der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert eine neue sog Episteme aufkommt, ein neues Wissen - und das heißt natürlich: Nicht einfach ein neuer Gegenstand des Wissens kommt auf, sondern Wissen wird etwas anderes als es vorher war. Dieses Wissen könnte man nennen: Das Wissen des Menschen. Im Sinne des genitivus objectivus und des genitivus subjectivus zugleich, um den alten Witz auch wieder einmal zu bemühen. Das Wissen war davor etwas anderes: Es war die Episteme der Repräsentation in der sog klassischen Epoche der Moderne im 17. und 18. Jahrhundert. Aber im 16. Jahrhundert war das Wissen noch einmal etwas ganz anderes.

Die Episteme der Ähnlichkeit

Die Typen der Ähnlichkeit

Diesem Wissen des 16. Jahrhunderts widmet Foucault ein eigenes kleines Kapitel von nicht ganz dreißig Seiten unter der Bezeichnung 'La prose du monde'. Und er sagt dort: Das Wissen des 16. Jahrhunderts war Wissen der Ähnlichkeit. Was heißt das?

Zunächst muß man sagen, daß diese sehr globale Behauptung nicht auf der Ebene liegt, die wir vorher im Auge hatten, als wir von der Analyse der Formationen des Diskurses gesprochen haben. Diese analytische Ebene wird von der Phrase vom Wissen der Ähnlichkeit nicht beansprucht und auch nicht ersetzt oder unnötig gemacht. Es ist einfach so, daß Foucault eine Analyse des Diskurses oder des Wissens der Ähnlichkeit nicht im Sinn hatte, während er in demselben Buch eine solche Analyse zur Episteme der Repräsentation zB sehr wohl versucht. Das Kapitel über die 'prose du monde' ist einfach ein weiterer Prolog, noch zu dem über die 'Meninas' dazu. Ich glaube, die Behauptung ist einfach die: Im 16. Jahrhundert ist es noch so, daß immer dann, wenn ein Wissen vorliegt, wenn eine wissensartige Aktivität stattfindet oder dgl - daß immer dann eine Ähnlichkeit diesem Sachverhalt oder Prozeß Halt gibt, ihn sozusagen im Kern ausmacht. Wo keine Ähnlichkeit, dort auch kein Wissen. Ich lese Ihnen den ersten Absatz des Kapitels vor:

Bis zum Ende des sechzehnten Jahrhunderts hat die Ähnlichkeit im Denken der abendländischen Kultur eine tragende Rolle gespielt. Sie hat zu einem großen Teil die Exegese und Interpretation der Texte geleitet, das Spiel der Symbole organisiert, die Erkenntnis der sichtbaren und unsichtbaren Dinge gestattet, und die Kunst ihrer Repräsentation bestimmt. Die Welt drehte sich in sich selbst: die Erde war die Wiederholung des Himmels, die Gesichter spiegelten sich in den Sternen, und das Gras hüllte in seinen Halmen die Geheimnisse ein, die dem Menschen dienten. .... Wir müssen ein wenig bei jenem Augenblick verharren, in dem die Ähnlichkeit ihre Zugehörigkeit zum Wissen lösen und zumindest teilweise vom Horizont der Erkenntnis schwinden wird. Wie stellte man sich am Ende des sechzehnten und noch zu Beginn des siebzehnten Jahrhunderts die Ähnlichkeit gedanklich vor? Wie konnte sie die Figuren des Wissens organisieren?

Also gut, in den letzten Worten haben wir ja auch schon ein bisserl was Positives zu unserer Frage nach dem Verhältnis der Ähnlichkeits-These zur Diskurs-Analyse im Allgemeinen: Ohne der Analyse des Diskurses vorzugreifen kann man sagen, die Ähnlichkeit hat auf irgendeine besondere Weise die Figuren des Wissens organisiert. Aber als Erstes will man wissen: Was heißt 'Ähnlichkeit'? Ähnlichkeit als Phänomen ist eine vielgestaltige Angelegenheit. Wenn ich sage, dies oder jenes ist diesem oder jenem anderen ähnlich; oder wenn jemand etwas sagt, und ich werfe ein: Ja ja, das was ich meine ist ganz ähnlich... Dann können es sehr verschiedene Arten von Beziehungen sein, die so eine Behauptung verifizieren; es kann sich um sehr sehr Verschiedenes handeln bei der Ähnlichkeit. Und Foucault sagt nun, daß die Bemühungen, diese verschiedenen Arten oder Typen zu unterscheiden und zu kennen, in der Renaissance sehr groß waren, und daß man aber gleichwohl vier Haupt-Typen hervorheben kann: convenientia, aemulatio, analogia, sympathia. Ich werde da jeweils kurz ein paar Andeutungen machen.

convenientia ist Ähnlichkeit in der Art der Nachbarschaftlichkeit, des Ineinander-Übergehens. Alles ist insofern ähnlich, als es (alles) zusammenhängt. Ein Symbol dafür ist die aurea catena, die lebende Kette, die von den Füßen des Zeus herunterhängt und in der alle Geschöpfe zusammenhängen.

aemulatio ist die Ähnlichkeit von der Art des Reflexes, des Widerscheines des Gleichen in der Ferne. Widergabe des Anblicks. Eines ahmt ein Anderes nach ohne damit in einer Verkettung zu stehen.

analogia ist die Ähnlichkeit von Verhältnissen. Sie kann einerseits begriffen werden als eine eigentümliche Integration von convenientia und aemulatio: Prinzipiell ist sie aemulatio, das 'so - wie' braucht keine Verkettung. Aber das, was so ist wie... - das ist von der Art der convenientia, ein konkretes 'Sich verhalten zu...'. Zitat: 'Das Verhältnis etwa der Sterne zum Himmel, an dem sie glänzen, findet sich wieder zwischen Gras und Erde...'. Die Sterne hängen direkt am Himmel dran, das Gras wächst aus der Erde heraus... Die andere Besonderheit der Analogie besteht darin, daß sie Ähnlichkeit auf einem Feld installiert, wo sie von den konkreten Dingen selbst abgelöst werden kann. Die Ähnlichkeit der Analogie ist nicht notwendig sichtbar, und daher ist vor allem die Analogie verantwortlich für die Möglichkeit einer massenhaften Vermehrung der Ähnlichkeiten. Ich lese da noch eine weitere kleine Stelle vor:

Der Raum der Analogien ist im Grunde genommen ein Raum der Strahlungen. Von allen Seiten wird der Mensch davon betroffen, aber dieser gleiche Mensch vermittelt umgekehrt die Ähnlichkeiten, die er von der Welt erhält. Er ist der große Herd der Proportionen, das Zentrum, auf das die Beziehungen sich stützen und von dem sie erneut reflektiert werden.

sympathia ist etwas Dynamisches. Eine Kraft, die Dinge aneinander zu assimilieren, über alle Entfernungen hinweg wie die aemulatio, aber ohne daß sie auf die Reflexion des Anblicks beschränkt wäre. Die Sympathie kann die Dinge richtiggehend ineinander überführen, vermischen über eine Distanz hinweg, identisch werden oder zusammenfallen lassen - das kann die aemulatio nicht. Wenn es keine Gegenkraft zur Sympathie gäbe, könnte das ganze Universum auf einen einzigen Punkt zusammenschnurren; aber gottseidank gibt es die Gegenkraft der Antipathie. In einer gewissen Weise könnte man vielleicht sagen, daß Sympathie und Antipathie auch das dynamische Fundament der anderen Ähnlichkeiten darstellen.

Ähnlichkeit und Signatur

Jetzt sehen wir wohl ein bißchen, was gemeint ist mit dem Wort 'Ähnlichkeit'. Aber was ist gemeint mit der Behauptung, daß das, diese eigenartigen Strukturen, 'die Figuren des Wissens organisieren' kann? Nun, es sind solche Dinge gemeint wie daß wenn ich etwas weiß, das darin besteht, daß sich irgendwas in meinem Geist oder eventuell auch nur auf meiner Netzhaut spiegelt, im Sinne der aemulatio. Es kann auch anders sein, es spiegelt sich nichts, aber durch Sympathie habe ich eine Eingebung. Ähnlichkeit ist nicht einfach Gegenstand des Wissens, sie ist in diesem System vor allem die Form des Wissens, das Wort 'Organisation' ist nicht übel. Ein gewisses Problem stellt unter diesen Voraussetzungen allerdings die konkrete Artikulation des Wissens dar. Wie erkenne ich das Vorliegen einer bestimmten Ähnlichkeit? Woher wissen wir, daß - um ein Beispiel aus dem Text zu verwenden - der Eisenhut die Augenkrankheiten heilt (ein Fall von Sympathie)? Wir müssen es irgendwie ausprobiert haben, irgendwer muß es halt einmal ausprobiert haben, würden wir gerne sagen. Aber das ist natürlich jetzt gerade die ganz falsche Antwort. Denn dann wäre ja nicht die Ähnlichkeit die Grundlage des Wissens, sondern die Erfahrung. Jetzt, in diesem Zusammenhang, lautet die einzig richtige Antwort: Weil ein Zeichen uns das verrät. Sie werden sagen: Ha ha, was für ein Unsinn, wenn die Erfahrung nicht gilt, warum soll dann das Zeichen gelten? Wenn wir ein Zeichen brauchen, das uns das Bestehen der Ähnlichkeit verrät, dann ist die Organisationsform des Wissens eben das Zeichen! Aber warten Sie mit diesem Einwurf noch ein wenig zu. Wir sind jetzt an dem wirklich interessanten Punkt der These von Foucault, und ich möchte das gerne in der richtigen Ordnung darstellen, wenn es schon so kurz und skizzenhaft sein muß.

Also er stellt fest, daß die Episteme der Ähnlichkeit grundsätzlich der Zeichen bedarf, ohne Zeichen geht das nicht. Er nennt sie signaturen, und er sagt ganz deutlich, daß das Wissen der Ähnlichkeit von der Kenntnis der Signaturen abhängt:

Die Ähnlichkeiten in ihrer Verborgenheit müssen an der Oberfläche der Dinge signalisiert werden. Ein sichtbares Zeichen muß die unsichtbaren Analogien verkünden...

Die Ähnlichkeit war die unsichtbare Form dessen, was aus der Tiefe der Welt die Dinge sichtbar machte. Damit aber jene Form ihrerseits bis zum Licht kommt, muß eine sichtbare Gestalt sie aus ihrer tiefen Unsichtbarkeit zerren. Deshalb ist das Gesicht der Welt mit Wappen, Charakteren, Chiffren, dunklen Worten oder ... Hieroglyphen überdeckt. Der Raum der unmittelbaren Ähnlichkeiten wird zu einem großen, offenen Buch. Es starrt von Schriftzeichen.

Natürlich ist das bei der Analogie und bei der Sympathie besonders deutlich, dieser Bedarf an Zeichen, weil die ja in der Tat die einfache Ebene der Sichtbarkeit transzendieren. Aber auch bei der aemulatio brauchen wir ein Zeichen, wenn sie wirklich einen kognitiven Wert haben soll. Es geht darum, daß das Aussehen des Dinges eben nicht bloß als das Aussehen des Dinges, die dem Dinge selbst ensprechende Erscheinungsweise von mir aus, aufgefaßt wird, sondern als Ähnlichkeit mit einem anderen, und dafür muß uns ein Zeichen gegeben sein. So wie ich das vorige Woche erklärt habe mit dem sog 'unbestimmten Bild', das uns zuruft: 'Wo anders ist etwas, so wie das sehe ich aus!' Also die Ähnlichkeit, wenn sie nicht nur ein Tatbestand ist, sondern eine Episteme, braucht die Zeichen. Wie aber funktioniert das konkret? Das Beispiel mit dem Eisenhut ist sehr lehrreich. Die Pflanze selbst trägt eine Signatur: Ihre kleinen dunklen Samenkörner liegen in weißen Schalen. Das dunkle Korn liegt in der weißen Schale wie die Iris im Weiß des Augapfels. Also mit einem Wort: Die Signatur der Sympathie ist eine Analogie. Man kann weiterfragen, wie diese Analogie selbst signiert wird. Die Antwort wird sein: Durch eine aemulatio, das Erkennen einer Gleichheit anderswo, in einer unvermittelten Ferne. Und so weiter.

Der Kern der Behauptung von Foucault ist also, daß die Zeichen, deren die Ähnlichkeit bedarf, ihrerseits wieder nichts anderes sind als Ähnlichkeiten eines jeweils anderen Typs. Das heißt nicht, daß es keinen Unterschied gäbe zwischen Ähnlichkeit und Signatur; der Unterschied ist entscheidend sogar. Aber es ist kein dinglicher Unterschied, kein Unterschied im Sinne verschiedener Arten von Dingen. Es ist ein Unterschied des Kontextes und der Funktion. Das Besondere an der Episteme der Ähnlichkeit in der Renaissance ist dieser Kreislauf der Ähnlichkeiten, die als Zeichen immer wieder auf andersartige Ähnlichkeiten verweisen, und selbst immer wieder von andersartigen Ähnlichkeiten bezeichnet, signiert, werden. Dieses Wissen ist eine unendliche, in sich kreisende Anhäufung von Bestätigungen. Erkennen heißt interpretieren, sagt er einmal in dem Text.

Von hier aus lassen sich dann eine Menge sehr interessante Detailfragen aufwerfen, zB die Sprache betreffend und die Schrift. Die Sprache ist ja in dieses System mit einbezogen. Die sprachlichen Zeichen, insbesondere die Schriftzeichen, sind mit den Figuren der Welt vermischt, die sind in diesem Kreislauf drinnen und werden also auch ihrerseits aufgrund anderer Ähnlichkeiten gedeutet. Ich lese Ihnen etwas vor dazu:

Die Sprache ist nicht was sie ist, weil sie einen Sinn hat. Ihr repräsentativer Gehalt, der für die Grammatiker des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts so viel Bedeutung haben wird ... spielt hier überhaupt keine Rolle. Die Wörter gruppieren Silben und die Silben Buchstaben, weil es in ihnen Kräfte gibt, die sie einander annähern oder sie voneinander entfernen, genau so, wie in der Welt sich die Zeichen gegenseitig anziehen oder in Opposition zueinander stehen. Die grammatischen Studien beruhen im sechzehnten Jahrhundert auf der gleichen erkenntnistheoretischen Disposition wie die Naturwissenschaft oder die esoterischen Disziplinen.

Das ist sehr interessant, da liessen sich viele Wege weiter verfolgen. Ich will aber jetzt zusammenfassen unter einem ganz bestimmten Gesichtspunkt, der sozusagen negativ ist in Beziehung auf diese Episteme der Ähnlichkeit im 16. Jahrhundert: Das ist ein Wissen, in dem die Zeichen noch völlig eingebunden sind in einen Kreislauf der Ähnlichkeit.

Repräsentation

Die Episteme der Repräsentation kann man, wenn man diesen Prolog vorhergeschickt hat über die Ähnlichkeit - und das wird auch bei Foucault der tiefere Sinn der Sache gewesen sein -, also die Episteme der Repräsentation kann man unter dieser Voraussetzung ganz einfach definieren als das Wissen, das sich aus der Emanzipation der Zeichen von der Ähnlichkeit ergibt. Das Zeichen als reine, von aller Ähnlichkeit unabhängige Repräsentation - damit ist man, was die Struktur des Wissens betrifft, in einer anderen Welt. Zwischen Ähnlichkeit und Repräsentation gibt es kein natürliches Band mehr. Ich lese kurz vor:

Am Anfang des siebzehnten Jahrhunderts, in jener Periode, die man zu Recht oder zu Unrecht das Barock genannt hat, hört das Denken auf, sich in dem Element der Ähnlichkeit zu bewegen. Die Ähnlichkeit ist nicht mehr die Form des Wissens, sonder eher die Gelegenheit des Irrtums, die Gefahr, der man sich ausetzt, wenn man den schlecht beleuchteten Ort der Konfusionen nicht prüft.

In dieser Trennung von der Ähnlichkeit aber entfalten die Zeichen erst ihren wahren kognitiven Sinn. Oder man kann es auch anders sagen: Indem sie statt mit der Ähnlichkeit mit der Willkür zusammentreten, entfalten sie erst ihr epistemisches Potential. Die endgültige Besiegelung dieses Umbruchs, seine klassische, kanonische Form ist die Analytische Methode des Descartes. Darauf komme ich noch einmal. Jetzt möchte ich Ihnen die Sache in den Worten Foucault's näher bringen. Also wir haben diese Lösung des Zeichens von der Ähnlichkeit, und das heißt ja, weil die Ähnlichkeit die Form ist, in der die Welt präsent ist: Lösung von einer bestimmten Art der Beziehung auf die Welt. Und systematisch muß man also fragen, ob die Zeichen, wenn sie von der Ähnlichkeit sich emanzipiert haben, eine andere Art von Beziehung auf die Welt eingehen, und wie die beschaffen ist. Das ist ja nochmal ein Punkt möglicher Differenz. Und hier ist das Entscheidende, daß in einem gewissen Sinn mit der Lösung von der Ähnlichkeit die Zeichen sich überhaupt aus der Beziehung zur Welt lösen. Das kann natürlich nicht in aller Globalität gelten, das ist klar, darum habe ich gesagt: 'in einem gewissen Sinn'. Die neue Art von Beziehung ist so radikal anders, daß man das gar nicht genug betonen kann. Das Wort Willkür spricht es ja recht deutlich aus: die willkürlich hergestellte Beziehung ist eben die ohne Grundlage hergestellte Beziehung, die ad hoc hergestellte Beziehung etc. Die willkürliche Beziehung ist eine Beziehung, das muß man schon zugeben; auch mit den willkürlichen Zeichen zielen wir auf etwas von ihnen jeweils verschiedenes; aber sie hat doch das Eigenartige an sich, daß sie Beziehungslosigkeit voraussetzt, fast in sich einschließt könnte man sagen. Also Foucault sagt zuerst allgemein:

An der Schwelle des klassischen Zeitalters hört das Zeichen auf, eine Gestalt der Welt zu sein, und es ist nicht länger mit dem verbunden, was es durch die festen und geheimnisvollen Bänder der Ähnlichkeit markiert.

Und unter dem Leitbegriff der Konvention kommt er dann auf die Sache mit der Willkür:

Als natürliches ist das Zeichen nichts anderes als ein den Dingen entnommenes Element ... Es ist also vorgeschrieben, rigid, unbequem, und der Geist kann seiner nicht Herr werden. Wenn man indes ein vereinbartes Zeichen einführt, kann man es stets (und man muß es in der Tat) so wählen, daß es immer einfach, leicht zu erinnern und auf eine unbegrenzte Zahl von Elementen anwendbar, selbst teilbar und zusammensetzbar ist; das geschaffene Zeichen ist das Zeichen in der Fülle seines Funktionierens. Es zieht die Trennungslinie zwischen dem Menschen und dem Tier; es transformiert die Vorstellungskraft (imagination) in willentliche Erinnerung, die spontane Aufmerksamkeit in Überlegung und den Instinkt in vernünftige Erkenntnis.

Das sind jetzt Redewendungen gewesen, die Foucault bei Condillac entlehnt hat, aber das spielt keine Rolle. Der Punkt, um den es mir geht ist, daß eben das willkürliche Zeichen das 'Zeichen in der Fülle seines Funktionierens' ist. Das habe ich gemeint, als ich sagte, daß erst in der Trennung von der Ähnlichkeit die Zeichen ihr eigentliches kognitives oder epistemisches Potential entfalten. Die willkürlichen Zeichen, das ist auch in dem letzten Zitat angesprochen, unterscheiden sich zB auch darin von den alten, daß sie nicht entziffert werden müssen. Sie können gar nicht entziffert werden, da gibt es nichts zu entziffern. Das hat Foucault vor Augen, wenn er von der Unbequemlichkeit der natürlichen Zeichen spricht.

Wenn wir jetzt innehalten und diese Episteme der Repräsentation in Bezug bringen zu dem, was Deleuze die platonische Insitution des Raumes des Repräsentation genannt hat, können wir da überhaupt noch eine Verwandtschaft feststellen? Deleuze hat ja eigentlich mit sehr umfassendem Anspruch gesagt, Plato hätte die der Philosophie eigentümliche Domäne der Repräsentation eingerichtet mit seinem Modell, und das würde ich schon so verstehen, daß da die gesamte Entwicklung der Philosophie bis zu Nietzsche hin, bzw dem einen oder anderen Abweichler oder Vorläufer Nietzsche's hin, gemeint ist. Das, was Foucault für die wahrhaft klassische Periode der neuzeitlichen Philosophie als Wissen der Repräsentation typisiert, paßt das da noch hinein? Ein signifikanter Unterschied ist sowieso gleich die Rolle des Zeichenbegriffes für die moderne Repräsentation; es ist unklar, was und wieviel das Zeichen von den Funktionen übernehmen kann, die bei Plato dem Bild zukommen; wenn die Ähnlichkeit, die doch bei Plato mit solch einer emphatischen Bedeutung aufgeladen war, aus der Repräsentation ausgeschlossen wird, kann dann überhaupt noch irgendeine Bedeutung gefunden werden für den Begriff des simulacrum selbst? Und was wird aus der allerwichtigsten aller Beziehungen, der auf den Ursprung, die Idee? Was wird daraus, wenn die bevorzugten Zeichen die willkürlichen sind? Das sind alles Fragen, die sehr in die Richtung weisen, daß es sich da doch einfach um etwas ganz Anderes handelt, bei dieser Repräsentation des 17. und 18. Jahrhunderts, als der des Plato. Aber ich will eine direkte Antwort auf diese Fragen noch einige Augenblicke aufschieben und stattdessen eine Art Minimalvariante diskutieren, die von der platonischen Konzeption so unabhängig wie möglich ist: Gibt es überhaupt einen Grund, dieses Wissen mit dem Wort 'Repräsentation' zu bezeichnen, im Sinne der Vertretung eines ernsthaft indentierten Anderen? Wenn die bevorzugten Zeichen die willkürlichen sind, wie können sie denn dann noch etwas repräsentieren in irgendeinem relevanten Sinn? Man möchte sagen: Viel naheliegender wäre es, sie einfach als Ausdruck unserer Willkür zu betrachten und basta.

Aber so stimmt das nicht. Die willkürlichen Zeichen repräsentieren sehr wohl. 'Dieses Zeichen hier bezeichnet das, und dieses zweite Zeichen bezeichnet jenes; und daß sie - die Zeichen - sich so zueinander verhalten, das stellt vor oder repräsentiert, daß die Dinge sich so und so zueinander verhalten.' Und das funktioniert. Ich schreibe den Buchstaben 'a' auf die Tafel und sage: 'Dieses a steht für den Stephansdom', und dann schreibe ich noch andere Buchstaben hin, die stehen für den Lainzer Tiergarten etc. Und da stehen sie jetzt wirklich dafür, das repräsentieren sie. Sie repräsentieren ihre jeweiligen Sachen, ohne daß die dafür irgendwas getan hätten oder auch nur gefragt worden wären, ausschließlich weil wir wollen, daß sie dies und jenes repräsentieren. Aber eine Sache gibt es dabei schon, die man nicht übersehen darf, die unendlich wichtig ist. Wenn ich so ein Zeichen einer bestimmten Sache zuordne und die wird dann (erfolgreich) davon repräsentiert - dann müssen doch zumindest in diesem Augenblick der Zuordnung die beiden in einem gemeinsamen Raum gewesen sein; oder besser und realistischer: nachdem ja ich die Zuordnung vornehme, so muß mir außer dem Zeichen auch die Sache, die es vertreten wird, irgendwie präsent sein. Ob direkt oder indirekt oder in welcher Eigenschaft oder Aufdringlichkeit immer, irgendwie muß sie mir präsent sein, ich muß von ihr eine Kenntnis haben. Was das ist, wie es zustandekommt etc, das muß ich vielleicht nicht jetzt gleich wissen oder sagen können, aber längerfristig schon. Ich muß ja, damit die Sache funktioniert, verschiedenen Sachen verschiedene Zeichen zuordnen. Wie halte ich die Sachen auseinander? Keine leichte Frage. Die Antwort ist daher vorläufig nur global und programmatisch: Ich muß mein Erkenntnisvermögen analysieren. Ich muß die Struktur und das Potential meiner eigenen Fähigkeit genau analysieren, etwas präsent zu haben. Ich muß sowas wie eine höchst exakte Topik dieses Vermögens erstellen, um unter den Sachen, für die meine Zeichen einstehen, eine Ordnung halten zu können. Es ist nicht so, daß die Zeichen einfach nur Bewußtseinszustände oder kognitive Zustände bezeichnen; sie werden in der Intention gebraucht, Dinge zu bezeichnen. Aber sie können den Dingen nur insofern zugeordnet werden, als diese Dinge mir bewußt sind, in meinem Bewußtsein sozusagen einen Abdruck hinterlassen, um eine in der Epoche beliebte Ausdrucksweise zu verwenden. Wie sie das machen, dieses Hinterlassen eines Abdrucks oder dgl, das muß ich nicht von vornherein wissen, aber ich muß es analysieren, das ist gerade die Aufgabe. Welche Art von Ding hinterläßt welche Art von Abdruck? Welche Art von Abdruck ist überhaupt möglich? Beschränkt die Natur meines Erkenntnisvermögens die Variationsbreite von Abdruck?

Die Episteme der Repräsentation, die sich ergibt durch die Befreiung der Zeichen von der Ähnlichkeit, hat ein notwendiges Komplement, ohne das sie nicht existieren kann, die Analyse der Erkenntnis. In diesem Sinn war die Erkenntnis vorher nie ein Problem. Ich meine niemand kann bestreiten, daß es bei Plato und schon lange vor ihm Probleme gibt, sehr tief bedachte Probleme, die mit Erkenntnis zu tun haben. Welche Art der Erkenntnis ist verläßlich, welche Faktoren sind in der Erkenntnis zu unterscheiden etc. Aber in der Neuzeit wird die Erkenntnis als solche zu einem Problem, wie funktioniert sie überhaupt, funktioniert sie überhaupt?

Wenn wir zwischendurch noch so einen kleinen Blick zurück riskieren auf Plato, dann werden wir vielleicht sagen: Offensichtlich sind in dem Maße, wie die treuen Kopien von willkürlichen Zeichen verdrängt wurden, wir selbst zum Ursprungspunkt in der Repräsentation geworden. Das bedeutet aber nicht, daß wir jetzt die Souveränität der Idee übernommen hätten und so einfach ausüben können. Denn der Inhalt, das objet de la prétention ist noch im Jenseits geblieben, und wir sind zwar gewiß, daß es uns affiziert, daß es uns betrifft und daß es unsere Begierde reizt - aber wir haben keinen vorgezeichneten Weg zu ihm. Wir müssen unser Erkenntnisvermögen, unser Begehrungsvermögen etc, all das müssen wir unablässig und immer weiter analysieren, wenn wir unsere Macht als Ursprung auch ausüben wollen. Wagnis und Arbeit ist die Repräsentation geworden. Und es ist ganz klar: Sobald wir innehalten in dieser Arbeit, fallen wir in den Mythos zurück. Jedes Innehalten ist Mythos.

Das sind jetzt Bemerkungen gewesen nicht direkt von Foucault, obwohl sie dort ihren Anhalt haben. Foucault geht da vor allem auch ein paar andere Wege. Ich will noch eine solche eigene Bemerkung hinzufügen. Ich glaube, im Grunde sind da wirklich einige fundamental richtige und aufschlußreiche Dinge angesprochen worden von Foucault, und Les mots et les choses ist ein Buch, das zu lesen sich wirklich lohnt nicht nur für Philosophinnen, sondern jede Person, die irgendeinen Sinn hat für die Spannung, das Abenteuerliche, die es im Denken geben kann. Aber klarerweise werden in auch in diesem Text nicht nur Wahrheiten verkündet. Da ist viel Einseitiges, viel Verzeichnetes - oft gerade in Kontexten, die wertvoll sind. Also ich habe in einer Vorlesung vor ein paar Semestern mit dem Titel 'Das Wissen der Renaissance' zB darauf insistiert, daß diese These mit der Episteme der Ähnlichkeit wirklich überhaupt nicht als eine wahre Aussage über die Zeit oder die Philosophie der Zeit genommen werden darf. Es ist eine faszinierende und erhellende und produktive These, aber etwas, was ganz sicher wahr ist, wenn sie stimmt ist, daß die Renaissance auch schon die Überwindung dieses Ähnlichkeitsdenkens war. Und umgekehrt scheint es mir nun so zu sein, daß gewisse fundamentale Strukturen des Repräsentations-Wissens in völliger Reinheit erst hervortreten, bzw vor allem philosophisch sich artikulieren, ganz am Ende dieser Periode. Bei Kant. Vor allem die Konstellation des Repräsentationsbegriffes zur Aufgabe einer Analyse der Erkenntnis. Bevor ich dazu komme, noch ein paar Worte zu Descartes. Ich beschränke mich da total, ich werde glaube ich im Sommersemester eine Vorlesung über Descartes halten, und da werde ich gewiß ein paar Rückblenden auf unser Thema hier unterbringen.