Deleuze's antwort
Die Deutung, die Deleuze selbst gibt, kann man in gewisser Weise
als Fortsetzung der 'phänomenologischen' sehen - Fortsetzung aber
in eine unverhoffte Richtung. Denn er verlangt eine ganz neue Sicht der
Verhältnisse von Leben, Körper, Empfindung. Er meint, daß die
Auffassung des Körpers als Organismus eine Beschränkung sei, die
überwunden werden muß. Vor allem die Beziehung von Empfindung und
Organ sei anders zu denken. Wenn mit 'Organismus' eine bestimmte,
fixe Konstellation von Organen gemeint ist, durch die gleichsam die
möglichen Empfindungs-Zustände des Körpers definiert werden -, dann
setzt Deleuze dem den 'organlosen Körper' entgegen als ein Mehr und
eine höhere Vielfalt an Vitalität. Er stellt sich vor, daß eine
Kraft, die den organlosen Körper durchläuft, in ihm Sensationen
auslöst und Organe erst sich bilden und wieder verschwinden läßt. Eine
Sensation deplaziert sich gewissermaßen in dem Körper, ist in der
Figur auf der Leinwand präsent, gehört aber zugleich noch immer dem
Körper an.
(Am deutlichsten konturiert sich diese etwas exaltiert anmutende
Idee paradoxerweise an einer Stelle über die Malerei als Hysterie.)
Er spricht davon, daß die Malerei das Auge von seinem Status als
fixes Organ befreit, überhaupt von seiner Zugehörigkeit zu einem
Organismus: Das Auge wird in der Malerei einerseits zu einem
polyvalent-unbestimmten Organ, anderseits 'setzt die Malerei uns
überallhin Augen' (ins Ohr, in den Bauch, in die Lungen...); und
drittens präsentiert sich diesem freien Auge ein Körper, dessen
Farben und Linien von der organischen Repräsentation unabhängig
geworden sind.
Die 'sensation' ist primär Welle, Vibration; sie durchläuft einen
Körper, provoziert in ihm die Bildung eines Organs, aber eines
freien, beweglichen polyvalenten Organs ('Augenhaftigkeit' könnte
man sagen), sie läuft - vielleicht verstärkt - weiter, trifft auf
der Leinwand auf etc... Auf S.35 sagt Deleuze das explizit: Der
organlose Körper kann diesen Ausdruck vom Niveau-Übergang der
Empfindungen erklären; es geht um die passage vom Organlosen Körper
zu einem unbestimmt-polyvalenten Organ und von da zu 'organes
temporaires et transitoires'.
So kommt der Körper ins Bild.